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Mammutmarsch 2023 Berlin & Potsdam

Es ist Sonntag, 28. Mai 2023, 12:15 Uhr. Nach ziemlich genau 23 Stunden und 15 Minuten erreichen wir das Neue Palais in Potsdam und haben die 100 Kilometer Mammutmarsch 2023 Berlin & Potsdam bewältigt. Zu meiner Überraschung und Freude erwarten uns meine Mädels mit einem Transparent im Ziel. Die Stimmung ist unglaublich! Noch ein paar Fotos, die verdienten Medaillen, die Glückwunsche unserer Crew … dann muss ich mich an einen Baum hocken und meinen Emotionen freien Lauf lassen. Ein unglaubliches Gefühl! Doch fangen wir von vorne an …

Vorbereitung

Ich weiß gar nicht mehr genau, wie wir auf die Idee gekommen sind, in diesem Jahr wieder einmal einen Mammutmarsch anzugehen. Da aber die vergangenen beiden erfolgreichen Versuche in 2017 und 2020 genau drei bzw. sechs Jahre her sind, fühlte es sich irgendwie gut an, auch den fünften Versuch wiederum drei Jahre später zu starten. Als Team hatten sich Fräänk, Karin und ich schon Ende des letzten Jahres verabredet und direkt Mitte Januar die Tickets gebucht. Relativ spontan gesellte sich Mitte März noch Stefan – ein Volleyball-Kumpel vom Fräänk – dazu.

Die Vorbereitung verlief (wie immer) nach Plan: seit Ende Februar sind wir sechsmal zusammen unterwegs gewesen und haben etwas mehr als 170 Kilometer auf die Uhr gebracht. Zu Ostern – also gut sechs Wochen – vor dem Mammutmarsch ging es über 47 Kilometer, was als größter Test reichen sollte. Als Support hatte sich wieder Karli angeboten. Straußi wusste erst wenige Tage vor dem Start, ob er wieder dabei sein könnte. In jedem Fall konnten wir auf ein Begleitfahrzeug setzen, so dass die Rucksäcke wieder sehr leicht und die Pausen angenehm vorbereitet sein würden.

Start am Neuen Palais in Potsdam

Wir hatten uns für die erste Gruppe eingeschrieben, so dass der Start für 13 Uhr geplant war. Pünktlich wie immer stand Karli vor meiner Haustür. Fräänk nutze den Samstagvormittag noch für ein paar kleine Einkäufe beim Bäcker und auf dem Markt 😉 Auf der Fahrt zum Neuen Palais sahen wir schon einige Mitstreiter überall in der Stadt. Kaum am Gelände der Universität Potsdam angekommen, kamen wir mit Fenó ins Gespräch. Er hat seinen zweiten Berliner Mammutmarsch per Video festgehalten und uns gleich zu Beginn mit dabei. Vielen Dank dafür!

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Das Gelände am Neuen Palais war perfekt für Start und Ziel vorbereitet. Die Fläche ist groß und die vielen Bäume bieten genügend Schatten. Wir hatten ausreichend Zeit für ein paar Fotos am Mammut und konnten mehr als pünktlich einchecken. Irgendwie hat es dann noch Stefan geschafft, die Startgruppe zu wechseln und schon ging es pünktlich um 13 Uhr mit einem ordentlichen Countdown los.

Bei den letzten Versuchen hatten wir uns die Strecke so aufgeteilt, dass wir jeweils nach 30 Kilometern eine große Pause von etwa 30 Minuten eingelegt hatten. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass diese Teilstücke zu groß waren, und dass vor allem bei der letzten Rast – also bei Kilometer 90 – kaum noch Bedarf an Essen herrschte. Also hatten wir für dieses Mal einen anderen Plan und legten die großen Pausen auf jeweils ein Viertel der Strecke. Das passt auch recht gut zu den vom Mammutmarsch geplanten Versorgungspunkten.

Abschnitt 1 – 25 Kilometer bis Wannsee

Wir starten also bei herrlichem Sonnenschein und schon fast etwas zu warmen Temperaturen in den Marsch. Wie gewohnt geht es am Anfang langsam los, doch die Gruppe zieht sich auf dem Weg zum Kaiserbahnhof in die Länge. Auf der Geschwister-Scholl-Straße gehen wir einen kleinen Umweg durch den Park. Hier haben wir unsere Ruhe und müssten nicht den holprigen Fußweg nehmen. Die ersten fünf Kilometer verfliegen wie im Nichts. Wir müssen uns etwas bremsen, um nicht zu schnell zu starten. Karli wartet kurz vor der Brücke über den Templiner See auf uns und wir können einem kleinen Snack nicht widerstehen:

Wandermuffins gehen immer!

Auf dem anderen Ufer des Sees geht es in Richtung Potsdam Hauptbahnhof. Zum Glück müssen wir nicht – wie vor drei Jahren – auf dem Asphalt des Radweges laufen. Es geht die steile Treppe hinauf in die Ravensberge. Der Anstieg ist eng und die Stufen sehr unregelmäßig, da kann es sich schon einmal stauen. Der Weg in die Teltower Vorstand im Wald ist fantastisch und wir erreichen deutlich unter 2 Stunden die 10 Kilometer-Markierung am Ufer der Havel in der Nähe von Herrmannswerder.

Als wir wieder auf die Straße am Brauhausberg kommen, erwartet uns Karli. Wir klatschen aber nur kurz ab. Mich gelüstet es nach einem Apfel … 1 Minute später wird mir dieser – im Stile der Tour de France – aus dem vorbei fahrenden Auto gereicht 😉

Der Weg führt über den Potsdamer Hauptbahnhof. Hier schlägt die Sonne schon kräftig zu. Ich bin froh, dass der Zenit des Tages bereits überschritten ist. Wir gehen links zum Ufer der Havel und gelangen bald zum Erfrischungspunkt beim Sportboot-Club Havelland. Dieser kleine Versorger wird von Powerbar supported. Es gibt, neben Lutschern, jede Menge Eiweißriegel, was bei uns für die nächsten Kilometer in eine rege Diskussion über die Sinnhaftigkeit von eiweißhaltiger Ernährung beim Wandern bringt. Lobend zu erwähnen, ist außerdem die (für uns) neue Wasserversorgungsanlage der Mammutmarsch-Orgas: Wurde früher umständlich mit Messbechern nachgefüllt, kann man nun zu fünft an einem praktischen Gestell sehr schnell über einen Schieberegler auffüllen. Kleiner Verbesserungsvorschlag: 15 cm Schlauch an einigen der Hähne würde den einen oder anderen Rucksack trocken lassen 😀

Wir füllen die Wasserblasen kurz nach und gehen direkt weiter. 500 Meter später erreichen wir den Park Babelsberg … leider 30 Sekunden zu früh: Ich sehe über die Schulter meine Mädels noch an uns vorbei fahren. Rufen ist zwecklos, anrufen ebenfalls. Glücklicherweise kommt die SMS an und an der Fontäne im Park holen sie uns wieder ein!

Als wir den Park verlassen, haben wir eine kleine Kaffeepause bei KM 16 geplant. Der kurze Stopp artet in ein Kuchengelage aus. Ich hatte Muffins meiner Frau angekündigt. Sie hat spontan noch ein Bananenbrot dazu getan. Karin schleppt seit 3 Stunden einen Marzipankranz mit sich rum. Dazu n frischen Kaffee … das tut gut! Leider haben wir die Völlerei auf nicht einem Foto festgehalten.

15 Minuten später mahnt Karli zur Eile:

Ihr seid ja schließlich nicht zum Rasten hier!

Es geht weiter in Richtung Glienicker Brücke quer durch den Jagdschlosspark. Der Blick übers Wasser ist ein Traum. Wir gehen in sehr gutem Rhythmus immer weiter entlang des Ufers, kommen am Krughorn und Moorlake vorbei. An der Fähre zur Pfaueninsel erreichen wir die 20 Kilometermarkierung nach etwas unter 4 Stunden. Durch die vielen Spaziergänger wird es hier kurz etwas unübersichtlich, aber wir finden Karli im Getümmel. Der Kuchen liegt noch gut im Bauch und so klatschen wir auch nur kurz ab. In einer Stunde ist ja schon die erste große Rast geplant.

Diese 5 Kilometer vergehen wie im Flug. Wir gehen jeweils paarweise nebeneinander und wechseln hier und da die Formation. Die Gespräche sind gut und abwechslungsreich. Die Mammutherde hat sich schon ordentlich gestreckt. Man muss kaum noch überholen bzw. wird überholt. Wir verlassen nach 3,5 Kilometern die schöne Uferpromenade und orientieren uns in Richtung Bahnhof Wannsee. Knapp 500 Meter später erreichen wir den ersten offiziellen Versorger in den Wannseeschulen. Wir gehen nur kurz auf das Gelände, um Wasser nach zu füllen und nach Snacks Ausschau zu halten. Am Powerbar-Stand gönnen wir uns einen Schluck vom Mineraldrink … dazu später mehr. Die Location ist etwas eng und die warme Luft schon jetzt abgestanden. Wir schlagen unsere Raststation gegenüber am Waldrand im Schatten auf.

Es gibt ein reiches Mahl aus Bratnudeln, Knackern, Eiern, Wandermuffins, Gurken und Tomaten. Meine Nudeln habe ich in diesem Jahr auf Basis von Kritharaki zubereitet. Eine tolle Idee, kann man sie so doch sehr leicht mit einem Löffel zu sich nehmen. In den letzten Jahren war mir die Piekserei in den Spirellis oder Penne zu langwierig geworden. Ich muss mich nur etwas zügeln, um vor lauter Appetit nicht in einen Schluckauf zu verfallen.

Fräänk kontrolliert die Füße, aber ohne besondere Vorkommnisse. Wir sind alle noch recht gut drauf. Die langsam kühler werdende Luft tut gut. Während wir zusammen packen, sieht Karin, dass Marcel uns bereits eingeholt hat. Wir hatten uns kurz am Start getroffen und er war in der letzten Gruppe gestartet. Dass er uns bereits nach 25 km eingeholt hat, spricht für eine ordentliche Geschwindigkeit. Wir wollen aber direkt wieder los und werden uns später wieder sehen …

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Abschnitt 2 – 52 Kilometer bis Technik Museum

Nach nicht ganz 30 Minuten beenden wir unsere Rast und machen uns auf die zweite Etappe in Richtung Technik Museum. Beim Losgehen pelle ich mir noch ein Ei und esse es – etwas sehr hastig – auf den ersten Schritten. Beim Schlucken merke ich, dass der letzte Happen zu groß war. Nachdem sich die Speiseröhre wieder beruhigt hat, bekomme ich Magenschmerzen, wie ich sie im Leben noch nicht hatte. Auch heftiges Spülen mit Wasser bringt nur wenig Linderung. Die Schmerzen halten ca. 2 Kilometer an und beruhigen sich nur langsam. Bei Kilometer 85 werde ich erfahren, dass es nicht an dem Essen lag!

Der Weg führt uns zur B1 über die Brücke zwischen dem Kleinen und Großen Wannsee weiter zum S-Bahnhof Wannsee. Hier gehen wir zum ersten Mal ein Teilstück, welches ich noch nicht kenne. Wir laufen auf der Ostseite des Bahnhofs parallel zu den Gleisen in Richtung Schlachtensee. Hier werden wir das erste Mal von einem der vielen „Nice To Know“-Schildern überrascht, dass an verschiedenen Stellen der Route die Sinne etwas ablenken sollen.

Der Weg entlang des Sees ist sehr angenehm, sowohl vom Untergrund als auch von der Landschaft. Wir passieren die 30-Kilometer-Markierung ohne jedes Problem. Wenig später kommen wir am S-Bahnhof Schlachtensee an und nehmen nur eine kurze Erfrischung an einem kleinen Trinkwasserbrunnen. Karli weist uns auf ein mögliches WC hin, welches wir aber (noch) nicht brauchen. Wir halten uns hier kaum auf und gehen direkt wieder zum Ufer des Sees hinunter. Der Weg schlängelt sich für weitere zwei Kilometer entlang des Schlachtensees (man ist der lang) bevor wir die Krumme Lanke erreichen. Beim Übergang zwischen den beiden Seen erwarten uns zur Abwechselung mal eben ein paar Stufen … es soll ja nicht langweilig werden 😉

Bei Kilometer 34 verlassen wir erst einmal die Seen, bleiben aber weiter im Wald auf sehr angenehmen Untergrund. Hier werden wir plötzlich von Marcel eingeholt. Er hat ein krasses Tempo drauf. Zu schnell für uns, glaube ich. Ich muss Karin und Fräänk ordentlich bremsen, die sich von der Geschwindigkeit anstecken lassen. Ich ahne aber Böses, wenn wir das lange mithalten wollen.

Wenig später gelangen wir auf den Hüttenweg. Hier bietet ein Supermarkt mit seinem Parkplatz eine tolle Gelegenheit, eine kurze Pause einzulegen. Es ist 20:15 Uhr und ein eiskalter Schüttelkaffee bietet eine grandiose Erfrischung.

ein Schüttelkaffee am späten Nachmittag hebt die Stimmung
ein Schüttelkaffee am späten Nachmittag hebt die Stimmung

Durch die mittlerweile nicht mehr wärmende Sonne ist es deutlich kühler geworden. Ich tausche mein kurzes Hemd gegen einen Mammut-Hoody. Die langen Ärmel helfen auch direkt gegen die vielen Mücken.

Wir machen uns auf die nächsten 5 Kilometer zum 2. offiziellen Versorgungspunkt beim Sägewerk Grunewald. Da mich seit einiger Zeit je eine Stelle pro Fuß nörgelt, will ich die Pause dort nutzen, um Abhilfe zu schaffen. Wir legen die 5 km in einer entspannten Stunde zurück. Während die anderen drei mal fix einen Blick in den Versorger werfen, setze ich mich sofort mit meinen Füßen auseinander. Bereits jetzt zeichnen sich auf beiden Füßen erste Blasen an den Übergängen zwischen Fuß und großem Zeh ab. Ich klebe beide Stellen mit Blasenpflastern ab und fixiere die Pflaster mit jeweils einem Streifen Tape komplett um den Fuß. Außerdem wechsele ich die Socken. Durch die Wärme ist das erste Paar doch recht feucht geworden. Die Maßnahme fühlt sich anfänglich etwas befremdlich an, sorgt aber bis zum Schluss für eine erfolgreiche Lösung des Problems!

Wir nehmen noch einen kleinen Happen auf die Faust. Als wir uns gerade auf den Weg machen wollen, stößt Straußi zu uns! Er hatte den ganzen Tag ein Jugend-Basketball-Turnier supported und wollte eigentlich noch ein paar Stunden schlafen. Wie ich mir fast denken konnte, lässt er es sich aber nicht nehmen und begleitet Karli fortan beim Support.

Wir nähern uns nun langsam der Innenstadt. In 2 Kilometern erreichen wir die südliche Grenze von Wilmersdorf. Vorbei mit Wäldern und Waldboden. Immerhin haben wir noch ein paar Parks unter den Füßen. Kurz vor der Uhlandstraße ist schon wieder eine Stunde geschafft und wir treffen auf unseren Support. Es ist mittlerweile komplett dunkel. Dass der Nachtteil des Mammutmarschs 2023 in der Stadt verläuft, ist mit Blick auf das Licht, gar nicht mal so schlecht. Wir nehmen nur kurz ’nen Schluck aus der Mate-Flasche und gehen direkt weiter.

Am Rathaus Schöneberg müssen wir einmal kurz an einer roten Ampel warten. Na, wer ist das denn? Der Babelsberger Holzwurm und seine 3 Begleiter sind nach uns gestartet und haben uns irgendwann überholt. Sie sind zum ersten Mal dabei und noch richtig gut drauf. Wir werden uns noch das eine oder andere Mal auf der Strecke treffen.

Wir haben gerade den Volkspark Wilmersdorf verlassen und nähern uns der Mitte der Strecke. Da es mir und meinen Füßen richtig gut geht, überkommt mich der Übermut:

… wenn das so weiter geht, ist das ja ein Kinderspiel!

ich, bei KM 48 auf dem Mammutmarsch 2023

Es wird nicht lange dauern, da werde ich eines Besseren belehrt 🙁 Bei KM 49,5 ist Schluss mit lustig. Wir biegen rechts auf eine 1500 Meter lange Gerade parallel zu den Gleisen. Der Boden aus Beton ist – im wahrsten Sinne des Wortes – steinhart. Wir können gefühlt bis zum Horizont die anderen Teilnehmer sehen. Am nicht kommen wollenden Ende dieser Passage nehmen wir die Brücke über die Gleise und noch schnell das 50 Kilometer-Schild mit! Dann ab durch den „Park am Gleisdreieck“ und die nächste große Pause am Technik Museum ist erreicht!

An diesem offiziellen dritten Versorgungspunkt ist wieder Einiges vorbereitet. Unter anderem wird eine warme Suppe gereicht. Karli und Straußi haben uns ein perfektes Lager vorbereitet. Der Betonsockel hinter den großen Buchstaben des Museums ist durch die Sonne des Tages schön aufgewärmt.

Wir liegen super gut in der Zeit. Ich hatte diese Pause für 0:50 Uhr eingeplant. Wir sind schon 40 Minuten früher angekommen. Wir haben also alle Zeit und Ruhe der Welt, diese Pause zu nutzen. Ein wenig später kommt auch Marcel hier am Versorger an. Er gesellt sich zu uns … nicht nur für die Pause, sondern auch durch die Nacht. #HerzlichWillkommen

Nach einigen Minuten kommen wir ins Gespräch, wie es uns allen so geht. Bei Fräänk, Stefan und mir ist grundsätzlich alles gut. Die Füße zwicken zwar ein wenig (mehr), kein Grund zur großen Sorge. Karin allerdings ist mental etwas angeknackst. Die Euphorie ist verflogen und Müdigkeit und Erschöpfung sind angekommen. Sie plant ihren Ausstieg bei KM 55 am Brandenburger Tor! Ich versuche, sie zu motivieren, weiter durchzuhalten, weiß aber auch, dass sowohl die Nacht als auch der Weg erst zur Hälfte geschafft sind.

Wir essen ordentlich und versorgen die Füße. Ich setze noch schnell einen Gruß an die Netzgemeinde ab und dann geht es kurz vor 0:45 Uhr schon wieder los.

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Abschnitt 3 – 70 Kilometer bis Olympiastadion

Beim Losgehen sehe ich den Holzwurm und seine Crew an einem der Tische sitzen. Wir klatschen noch schnell ab. Meine Gruppe macht gut Pace 😉

Wir gehen entlang des Landwehrkanals bis zum Tilla-Durieux-Park. Leider sieht man durch die Dunkelheit vom Wasser nahezu nix. Aber die Planung der Strecke geht voll auf: Berlin bei Nacht ist wenigstens gut beleuchtet. Wenig später überqueren wir den Potsdamer Platz und ich bin überrascht, wie wenig hier los ist. Etwas mehr als 30 Minuten nach dem Start aus der Halbzeitpause erreichen wir das Brandenburger Tor. Leider ist es mitten in der Nacht kaum noch beleuchtet. Trotz aller Motivation entscheidet sich Karin, hier die Segel zu streichen 🙁

Abschied von Karin nach 55 km am Brandenburger Tor
Abschied von Karin nach 55 km am Brandenburger Tor

Wir machen noch ein letztes gemeinsames Foto und sie geht ihrer Wege zur Bahn. Als wir uns 11 Stunden später im Ziel sehen, berichtet sie mir, dass sie ihre Entscheidung bereits 30 Minuten später sehr bereut hat!

Wir gehen noch ein paar Meter gen Norden am Reichstag vorbei, um dann für 8 Kilometer am Ufer der Spree in Richtung Spandau zu wandern. Es ist knapp halb 2 Uhr morgens und jeder beginnt seinen eigenen Kampf mit der Nacht. Fräänk wird recht langsam, findet aber seinen Rhythmus. Er haut sich die Hörer in die Ohren und stampft lang hin. Wir lassen ihn hinter uns und er überholt uns bei KM 58 ohne Pause, als Karli & Straußi ein paar kühle Getränke für uns bereit halten. Erst als wir uns in der Nähe der Jungfernheide für knapp 15 Minuten setzen, gönnt er sich eine Pause. Wir verbleiben aber so, dass jeder in seinem Rhythmus bleiben soll.

Um kurz nach 3 Uhr geht es auf die letzten 6 Kilometer zum nächsten Versorger am Olympiastadion. Die Route hält nun eine kleine Brücke für uns parat. 35 Stufen auf beiden Seiten lassen die Beine mal etwas auflockern. Wir bleiben am Ufer der Spree und laufen durch eine Kleingartensparte. Die fehlenden Häuser lassen die Temperaturen schlagartig fallen und wir sehen unseren Atem in der Luft kondensieren. Der Weg ist recht angenehm, aber leider etwas schmal. So stauen sich die Gruppen etwas. Neben ein wenig Musik und dem einen oder anderen Telefonat hört man kaum jemanden reden. Immerhin wird es langsam heller, wenn auch die Sonne in unserem Rücken aufgeht.

Bei Kilometer 68 verlassen wir das Ufer der Spree und kreuzen bald den Spandauer Damm. Es folgen 1000 Meter schleichender Anstieg zum Stadion. Marcel und Stefan sind mir hier zu langsam. Ich gehe meinen Stiefel weiter und erreiche mit etwas Vorsprung den Platz vor dem Olympiastadion.

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Während ich diese kleine Aufnahme mache, holt mich Stefan ein. Marcel scheint Probleme mit dem Fuß zu haben und hinkt (im wahrsten Sinne des Wortes) etwas hinterher. Wir haben die Orientierung etwas verloren und verpassen die 70 Kilometer Markierung. Egal, die verabredete Pause ist jetzt wichtiger. Straußi und Karli haben schon alles vorbereitet. Ich muss mich erst einmal setzen …

Wie auch bei den letzten Mammutmärschen gibt es Fräänks legendäre Reissuppe mit Wild-Wiener zum Frühstück. Trotz aller Erschöpfung habe ich ordentlich Appetit. Nach und nach kommen auch Marcel und Fräänk am Versorger an … beide aber mit ordentlichen Problemen:

An Marcels Fuß hat sich eine enorme Blase gesammelt, die sich bereits mit Blut gefüllt hat. Glücklicher Weise haben wir hier einen Wagen mit Sanitätern zur Verfügung. Sie kleben und tapen alles ab. So kann es, wenn auch nicht schön, weiter gehen.

Schlimmer sieht es für Fräänk aus. Er kommt am VP an, klatscht bei uns allen ab und verkündet seinen Ausstieg! Er war auf dem letzten Abschnitt einfach viel zu langsam. Aus Erfahrung weiß er, dass er es bestimmt ins Ziel schaffen, dafür aber mindestens 30 Stunden brauchen würde. Und das ganz allein, denn so langsam kann keiner von uns mitgehen. Seine Entscheidung trifft mich emotional sehr hart. Ich bin zum ersten Mal den Tränen nahe! Immerhin sind wir seit Februar zusammen im Training. Ich wollte es mit ihm zusammen schaffen. Es hilft aber alles reden nicht, das Tief ist zu tief. Er setzt sich ins Auto und schläft ein …

wir erreichen das Olympiastadion Berlin am Sonntag gegen 4:30 Uhr
wir erreichen das Olympiastadion Berlin am Sonntag gegen 4:30 Uhr

Zum Ziel nach 100 km wieder am Neuen Palais

Gut gestärkt, ziemlich müde und emotional angeschlagen geht es um 5 Uhr weiter. Wir liegen immer noch 30 Minuten vor der Zeit. Mal schauen, ob wir das halten können.

Kurz vor dem Losgehen mache ich noch einen Abstecher in den Versorgungspunkt. Leider sind die Toiletten zu gut besucht, so dass ich mir ein Örtchen auf dem Weg suchen werde. Immerhin treffe ich mal wieder auf den Holzwurm und seine Gruppe. Keiner weiß, wann wir uns wo überholt haben 😉 Die drei sind etwas müde und der Entfernung angemessen angeschlagen, halten sich sonst aber gut.

Der Weg führt nun gen Süd-Westen durch bewohntes Gebiet. Es braucht mittlerweile seine 1 bis 2 Minuten, bis ich wieder in den Tritt gekommen bin. Wir können wahlweise auf Betonplatten-Gehwegen oder Asphaltstraßen laufen. Ich muss sagen, die Straßen fühlen sich irgendwie weicher an und warten mit deutlich weniger Huckel zum Stolpern auf.

Nach 3 Kilometern hält die Strecke eine kleine Überraschung bereit: Wir müssen die Heerstraße kreuzen! Damit das nicht zu einfach wird, sollen wir nicht eine der Ampeln benutzen. Vielmehr „dürfen“ wir an der Stößenseebrücke auf der einen Seite unzählige Stufen nach unten gehen und auf der anderen Seite erst eine Rampe, dann noch einmal Stufen wieder nach oben steigen. Diese Aktion kostet soviel Energie, dass Marcel und Stefan deutlich an Pace verlieren. Ich muss wieder meinen eignen Rhythmus laufen und stiefele vorn weg. Nach gut 1000 Metern verlassen wir die B5 und gehen hinunter zur „Scharfen Lanke“. Hier begrüßt uns der Sonnenaufgang mit einem herrlichen, motivierenden Blick über das Wasser. Ich überhole eine Gruppe aus Sachsen. Einer der Freunde will sofort ein Fotos schießen … nicht zur Freude seiner Begleiter:

… du glaubst doch nicht wirklich, dass ich jetzt noch in die Kamera grinse!?

stöhnt einer der Wanderfreunde in typisch sächsischer Mundart

Ich kann mir das Lachen nicht verkneifen. Das tut gut 😎

Es dauert nicht lange und die 75 km Marke ist erreicht. Die Jungs warten hier bereits. Fräänk schläft. Ich halte mich nicht lange auf. Weder Stefan noch Marcel sind am Ende der Straße zu sehen. Weiter geht’s … irgendwie jetzt in Trance. Die Füße schmerzen langsam unangenehm. Wir gehen entlang der Havel durch Parks oder wenigstens Grünanlage. Hier hatte ich weicheren Untergrund gehofft. Leider sind aber auch hier alle Wege aus Beton oder Asphalt.

Kurz vor KM 80 meldet sich die Verdauung und bittet freundlich um Entleerung. Die Parks in Kladow / Gatow sind gut mit Toiletten ausgestattet. Es scheint allerdings, als wären sie für Menschen aus den vergangenen Jahrhunderten gemacht. Egal, sie erfüllen ihren Zweck. Die kurze Pause reicht, dass Stefan ordentlich aufholt. Als ich ganz kurz bei Straußi und Karli einen Apfel nasche, schließt er auf. Er hat sich gut erholt. Wir können nun zusammen gehen!

80 Kilometer sind geschafft
80 Kilometer sind geschafft

Die nächste Stunde vergeht wie im Flug. Bei Kilometer 85 laden die Sportfreunde Kladow zur letzten offiziellen Rast. Es ist kurz vor halb neun, da kann man sich schon einmal ein Frühstück erlauben. Und was gibt es da Besseres als einen Milchreis mit Zucker & Zimt? Wir kommen kurz ins Gespräch mit Teilnehmenden aus dem Ruhrgebiet. Als ich überlege, noch einmal einen Mineraldrink zu nehmen, warnen sie mich. Es hatten wohl viele andere Mammuts echte Magenprobleme nach dem Genuss. Jetzt erinnere ich mich an meine Magenschmerzen in Wannsee! Dann lasse ich mal lieber die Finger davon.

Zum letzten Mal gut gestärkt, geht es weiter. Die Pause war eigentlich viel zu lang. Wir liegen nur noch 8 Minuten vor unserem Plan. Aber besser davor, als dahinter 😉

Nicht ganz 5 km später begrüßt uns Straußi allein an der Straße. Karli hat die Nähe zu Potsdam genutzt, um mal eben Fräänk nach Hause zu bringen. Wir haben noch so viele Vorräte bei uns, dass wir großzügig anderen Wanderern etwas abgeben können. Wenig später erreichen wir die 90 km Marke, und der hässliche Teil des Mammutmarsch 2023 beginnt.

90 Kilometer sind geschafft
90 Kilometer sind geschafft

Die Temperaturen haben mittlerweile „sympatische“ 27°C erreicht. Wir wiederum erreichen die Bundesstraße 2, der wir nun bis nach Potsdam folgen. Hier gibt es keinen anderen Weg, als den asphaltierten Radweg parallel zur Fahrbahn … genau das, was meine Füße jetzt brauchen 🙁

Irgendwo zwischen Kilometer 93 und 97 treffen wir das letzte Mal auf unseren Support. Wir gießen uns nur noch Wasser über die Köpfe und füllen die Trinkblasen auf. Ich sehne mich der „Brücke des Friedens“ entgegen. Hier sollen wir endlich die Straße verlassen. Die Route führt genau 45 Grad zwischen Nedlitzer und Amundsenstraße in den Park. Hier ist es angenehm schattig und der Untergrund deutlich angenehmer. Leider hält die Freude nicht lange an: Bereits 500 Meter später müssen wir auf die B2 zurück. Wie schon vorab in der Presse zu lesen war, brühtet hier im Park ein Greifvogel, der wohl nicht gut auf Wandernde zu sprechen ist 🙁

Somit werden die letzten 5 Kilometer wieder einmal zu den schlimmsten! Asphalt, Hitze, lange Anstiege und das Wissen, das jeder Schlenker, der die Strecke füllen soll, einfach unnötig ist. Immerhin gibt es nun recht oft neue motivierende Schilder. Als wir endlich an der Historischen Mühle vorbei kommen, geht es nur noch bergab … wenig später ist es vollbracht!

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Wir schleppen uns ins Ziel. Die Stimmung ist grandios, aber so richtig genießen können wir es nicht. Die Füße sind einfach total hinüber 🙁 Das meine Mädels uns hier empfangen, überfordert mich etwas. Im Video hört man vielleicht, dass ich meinem Schatz kaum antworten kann.

Alles in allem ein dennoch fantastischer Moment. Dafür hat es sich gelohnt. Noch fix die Medaille geholt, dann muss ich erst einmal in mich gehen …

wir haben den Mammutmarsch 2023 geschafft ... das muss ich erst einmal verarbeiten
wir haben den Mammutmarsch 2023 geschafft … das muss ich erst einmal verarbeiten

Mein Fazit zum Mammutmarsch 2023 Potsdam / Berlin

Nach einiger Zeit der Besinnung finde ich dann doch wieder ein paar Worte zum Abschluss. Ein ganz großer Dank geht an

  • Karli und Straußi für den Support
  • Karin und Stefan für die Begleitung und Fräänk außerdem für die Vorbereitung
  • und natürlich meine Mädels für die Unterstützung, die Begrüßung im Ziel und die viele Zeit, die ich für das Event nicht zu Hause sein konnte!

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Der Mammutmarsch war auch in diesem Jahr wieder etwas ganz Besonders. Die Mischung, aus mir sehr gut bekannten und neuen Wegen, war wirklich toll. Auch Berlin bei Nacht war großartig. Unterm Strich was es aber einfach viel zu viel Beton und Asphalt. Da war die Route nach Gusow deutlich angenehmer. Der Start und das Ziel am Neuen Palais war ein Traum! Das hätte man kaum besser planen können!

Trip summary

Wie immer bin ich nun erst einmal von einem 100er geheilt. Mal schauen wie lange das anhält 😉 Karin will die Niederlage nicht auf sich sitzen lassen und Fräänk bereut sein verfrühtes Ende auch. Na ja, und der Karli hat schon angekündigt, sich im November am „Little Mammut“ über 30 km zu versuchen. Das kann ja nur gut gehen …

1 Kommentar

  1. Axel Danneberg

    🥠 Glückwunsch, wenn man das liest bekommt man pipi in den Augen 👀. Beim lesen schmerzt mir schon mein Rücken und die Füße.
    Macht weiter so. Ich wünsche euch allen im Team alles Gute und bleibt weiterhin gesund und munter.
    Mfg Ellen

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